Zum Inhalt springen

London – Ein fotografischer Halbmarathon

London ist die wohl mit Abstand aufregendste Metropole Europas. Sie ist quirlig und modern, bisweilen aber auch stocksteif. Altes wird bewahrt und liebgewonnene Traditionen wie etwa die königliche Schlüsselübergabe am Tower of London werden mit Hingabe gepflegt. Auf der anderen Seite sind die sozialen Probleme der 8,3-Millionen-Einwohnerstadt unverkennbar. Trotzdem – oder weil  die Stadt so zerrissen ist – ist London in den Bereichen Architektur, Mode, Musik, Kultur, Kunst und Unterhaltung nach wie vor eine der innovativsten Städte weltweit. Und gerade für Fotografen ist dieses Moloch der Extreme und Symbol der modernen Metropole ein spannendes Pflaster.

Die Idee zu diesem Spaziergang entstand bei einem leider verregneten <a href=

Ein Hinweis in eigener Sache: Die meisten der hier vorgestellten Orte verdienen weitaus mehr Aufmerksamkeit, als ich sie ihnen an diesem Tag entgegenbringen kann. Ich bin aber relativ häufig in der Stadt, seit ein Freund vor vielen Jahren in die Metropole an der Themse zog. Die Top10 der Sehenswürdigkeiten, wie sie auf dieser Seite gelistet sind, habe ich so schon alle gesehen. Und auch die heute von mir beschriebenen Ziele habe ich alle schon oft besucht. Für diejenigen, sie noch nie in der Stadt waren, sind die Insider-Tipps von Andrea Reily wirklich hilfreich bei der Reiseplanung.

Ich möchte am letzten Tag meines Wikimania-London-Besuchs herausfinden, was an einem Tag in der Stadt zu schaffen ist, ohne dabei allzu viel Geld auszugeben. Der Spaziergang ist also eher ein Foto-Marathon. Fotografie aber braucht eigentlich viel Zeit und eine gute Vorbereitung. Tolle Aufnahmen setzen neben der richtigen Technik auch voraus, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Das ist bei so einem Gewaltmarsch naturgemäß nicht immer möglich, weshalb ich an dieser Stelle teilweise auf Bilder befreundeter Fotografen zurückgreife. Wer diesen Spaziergang nachgehen möchte, findet am Ende des Artikels die dazu nötige Karte, in die ich auch die besten Plätze zum Fotografieren eingetragen habe. Für alle anderen habe ich die jeweiligen Homepages der besuchten Orte verlinkt.

Die Londoner Innenstadt ist relativ gut zu Fuß zu erkunden. Auch wenn die Fahrtzeiten der U-Bahn etwas anderes vermuten lassen: Vom Natural History Museum bis zum  Tower of London sind es gerade einmal sieben Kilometer Luftlinie. Den hier vorgestellten, etwa 22 Kilometer langen Weg habe ich an einem sonnigen Tag in etwa zwölf Stunden zurückgelegt und damit einen fotografischen Halbmarathon geschafft.

Die Eingangshalle (
Die Eingangshalle („Main Hall“) des Natural History Museum.

Die Tour beginnt frühmorgens am Natural History Museum. Es gilt als eines der weltgrößten naturhistorischen Museen. Und wahrscheinlich zu den bestbesuchten Häusern Londons. Deshalb ist es sehr empfehlenswert, bereits weit vor den Öffnungszeiten dort zu sein. Das Gebäude, in dem es untergebracht ist, zählt sicher zu den schönsten der Londoner Innenstadt. Der Architekt Alfred Waterhouse entwarf den Bau nach Vorbildern der deutschen Romantik. Besonders eindrucksvoll ist die Terrakotta-Fassade mit den beiden Türmen entlang der Cromwell Road. Der hohe Innenraum erinnert vor allem in der Main Hall an eine Kathedrale. Ich fühle mich dagegen irgendwie in eine Harry-Potter-Kulisse versetzt. Die besten Plätze, um die Haupthalle zu fotografieren befinden sich im Erdgeschoss unmittelbar vor der großen Treppe sowie im dritten Obergeschoss über dem Haupteingang. Neben der Haupthalle ist auch der Raum der Mineraliensammlung unbedingt sehenswert, ehe es dann über die Straße A4 vorbei am weltberühmten Kaufhaus Harrods (das ich ebenso rechts liegen lasse wie das Hyde Parc Corner) und schließlich über die Straße Constitution Hill zum Buckingham Pallace. Sicherlich keines der aufregendsten Gebäude der Welt, aber irgendwie gehört es doch zu einem England-Besuch dazu. Und da es auf dem Weg liegt, lege ich dort einen Zwischenstopp ein.

Lange hält es mich dort jedoch nicht. ich habe schließlich noch einiges vor. Nächste Station meiner Tour sind die etwa einen Kilometer entfernt gelegenen Houses of Parliaments, in dem die beiden Kammern des britischen Parlaments tagen. Gemeinsam mit den unmittelbar angrenzenden Bauten der Westminster Abbey und der St. Margaret’s Church gehört es zum Unesco-Weltkulturerbe und der Uhrturm „Big Ben“ ist eines der bekanntesten Wahrzeichen Londons. Nebenbei bieten sich hier viele Gelegenheiten, zwei weitere Londoner Wahrzeichen abzulichten. Die berühmten Doppeldeckerbusse sowie die Telefonzellen. Zwar sind sie auch in England eigentlich überflüssig und in ihrem Bestand gefährdet: Waren 2002  im Vereinigten Königreich noch mehr als 90.000 Telefonzellen im Betrieb, sank diese Zahl bis 2012 auf 51.500. Seit Februar 2001 registriert jedoch eine private Initiative alle noch existierenden historischen Telefonzellen als zu schützende Gebäude.

Der Blick auf die Houses of Parliament ist besonders zur Blauen Stunde reizvoll. Foto: von David Iliff (Eigenes Werk) [CC-BY-SA-2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Commons

Nach diesem kleinen Abstecher in die Welt der Telekommunikation kehre ich zurück zu den Houses of Parliaments. Um das Gebäude von seiner schönsten Seite abzulichten, lohnt ein Abstecher über die Westminster Bridge auf das andere Themse-Ufer. Dort führen an einem Touristenkiosk Treppen zu einem Wanderweg entlang der Themse. Diesem folgt man bis zu einer Bank, von der man eine schöne Sicht auf den Palace of Westminster, wie das Gebäude eigentlich heißt, hat. Und obwohl es rund um die Houses of Parliament von Touristen nur so wimmelt, ist es hier erstaunlich ruhig. Besonders schön ist es hier zur Blauen Stunde.

Ich bleibe am rechten Themse-Ufer und folge dem Fluss über den Queen’s Walk vorbei am London Eye bis zur Waterloo Bridge, von der man einen atemberaubenden Blick auf die City of London mit ihren glitzernden Bürotürmen hat. Vor allem Nachts bieten sich hier für Fotografen unzählige Motive vom größten Finanzplatz der Erde.

Die Kuppel der Rundkirche in der Temple Church..
Die Kuppel der Rundkirche in der Temple Church.

Weiter geht es am gegenüberliegenden Themse-Ufer. Zunächst folge ich dem Fluss in seinem Lauf Richtung Nordsee entlang der Straße Victoria-Embankment, ehe ich dann links in die Middle Temple Lane einbiege. Diese führt mich direkt auf die Fleet Street, der ich nach rechts folge, um endlich zur Temple Church zu gelangen. Es wird das einzige Mal bleiben, an dem ich an diesem tage Eintritt zahle. 3 Pfund sind am Eingang zu entrichten. Schon mehrere Male habe ich versucht, die Kirche zu besuchen, doch war sie entweder geschlossen oder aber ich habe den Weg zu ihr nicht gefunden. Denn der ist leicht zu übersehen. Der Zugang zur „Inner Temple Lane“ sieht eher aus wie ein normaler Hauseingang und wird nachts auch wie ein solcher verschlossen. Er befindet sich in einem Fachwerkgebäude an der Fleet Street 17. Ein kleines, leicht zu übersehendes Schild weist den Weg zur Kirche. Hat man diese Barriere erst einmal überwunden, wird man für seine Ausdauer belohnt. Die Temple-Church liegt inmitten des Gebäudekomplexes des Royal Courts of Justice, einem für Richter, Rechtsanwälte und Notare reservierten Bezirk. Die Kirche ist eine der ältesten  Londons.  Tempelritter erbauten sie im 12. Jahrhundert als ihre Hauptkirche in England: Sie war Treffpunkt für wichtige Verhandlungen, die schließlich im Jahr 1215 zur Unterzeichnung der Magna Carta führten. Und nicht zuletzt hat Dan Brown der Kirche in seinem Bestseller „Das Sakrileg“ ein Denkmal gesetzt. Ältester Teil ist die 1185 geweihte Round Church, deren rundes Kirchenschiff die Templer nach dem Vorbild der Grabeskirche im Heiligen Land errichteten. Im Innenraum der Kirche befinden sich zehn Kenotaphen, Gräber von Rittern und Adeligen, die den Orden einst unterstützt haben. Einen Blick wert sind auch die mit unzähligen Köpfen mit Fratzen von Dämonen und  Ungeheuern verzierten Außenwände wert. Der sich anschließende rechteckige Altarraum heißt The Chancel. Heinrich III. ließ ihn etwa 50 Jahre nach dem Bau der Rundkirche als Grabstätte für sich planen und ausführen. Tatsächlich ließ er sich dann aber doch lieber in der  Westminster Abbey begraben. In der Kirche treffe ich zwei mir bekannte Gesichter, Martin und Stefan. Ich hatte die beiden Wikipedianer bereits während der Wikimania kennengelernt. Wir freuen uns, dass wir an dieser Stelle erneut zusammentreffen, tauschen uns kurz über unsere weiteren Ziele aus. Anschließend geht jeder seiner Wege. Fotografie ist ein einsames Geschäft.

Die Kuppel der British Library besteht aus 1656 Paar Glasplatten.
Die Kuppel der British Library besteht aus 1656 Paar Glasplatten.

Von der Temple Church ist es nicht weit bis zum British Museum, wohl eines der großartigsten Museen der Welt. Ich könnte Tage hier verbringen (und habe es in der Vergangenheit auch schon getan). Heute zieht mich jedoch nur der vom Architekten Sir Norman Foster geplante Innenhof hierher. Er ist mit einer Fläche von rund 7.100 Quadratmetern der größte überdachte öffentliche Platz in Europa und lässt viele Besucher schon beim Betreten des Gebäudes in Ehrfurcht erstarren. Den besten Blick auf die aus 1656 Paar Glasplatten bestehende Kuppel hat man aus dem dritten Stock des Hauptgebäudes. Dort öffnet sich unmittelbar über dem Eingang ein Fenster in den Hof. Hier ist etwas Geduld angesagt, da meist sehr viele Menschen einen Blick auf das monumentale Bauwerk erhaschen wollen. Reizvoll ist aber auch der Blick von einer der Ecken des Hofes.

Nach dem British Museum führt mich mein Spaziergang zu den beiden wohl schönsten Bahnhöfen Londons, die praktischerweise unmittelbar nebeneinander liegen: King’s Cross und St Pancras. Letzterer gilt als gilt als architektonisches Meisterwerk des viktorianischen Zeitalters. Er ist einer der Hauptbahnhöfe der Stadt und wird jährlich von gut 24 Millionen Fahrgästen genutzt. Seit 2007 ist St. Pancras neuer Endpunkt des Channel Tunnel Rail Link, auf dem die Eurostar-Züge nach Paris und Brüssel verkehren. Und nach der Renovierung ist der wunderschöne Kopfbahnhof mit dem Hotel im neogotischen Stil endlich wieder von den Gerüsten befreit und strahlt in altem Glanz. Sehenswert sind die Fassade mit dem Uhrenturm. Aber auch der Blick ins Innere der Station lohnt. Dort werden die Reisenden von einer riesenhaften Statue begrüßt. Das von dem Briten Paul Day geschaffene Kunstwerk zeigt ein sich verabschiedendes Paar in inniger Umarmung. Zu ihren Füßen gibt es allerlei Bahnhofsszenen zu entdecken. Eine weitere Statue, geschaffen von Martin Jennings, ist dem Dichter Sir John Betjeman gewidmet. Er bewahrte den Bahnhof in den 1960er Jahren vor dem drohenden Abriss.

An Gleis Neundreiviertel.
An Gleis Neundreiviertel.

Unmittelbar neben St. Pancras liegt der Bahnhof King’s Cross, an dessen Gleis Neundreiviertel jedes Potter-Abenteuer startet. Und so ist es kaum verwunderlich, dass sich dort täglich viele hundert Fans des Zauberlehrlings versammeln, um ihrem Idol an besagtem Gleis (das es dort wirklich gibt) zu huldigen. Auch diese, 1852 erbaute Station zählt zu den Hauptbahnhöfen der Stadt und wird jährlich von 26 Millionen Reisenden genutzt. Es sind vor allem Züge aus dem Nordosten Englands und dem Osten Schottlands, die hier verkehren. Im Zuge der Vorbereitungen für die Olympischen Sommerspiele 2012 wurde der arg in die Jahre gekommene Bahnhof umfassend saniert. Ein echter hingucker ist seither die Bahnhofshalle Western Concourse, in der sich neben Büros und Geschäften eben auch Gleis Neundreiviertel befindet.

Mit  über 170 Millionen Werken beherbergt die neben St. Pancras gelegene British Library  den weltweit größten Medienbestand aller Bibliotheken. In ihrem Bestand befinden sich Werke aus der Zeit um 1600 bis heute. 18 Millionen Bände stehen zur Nutzung vor Ort zur Verfügung. Untergebracht ist dieser lichtdurchflutete großzügig ausgelegte Tempel des Wissens in einem 1977 genehmigten und vom Architekten Colin St. John Wilson geplanten Bau, der mit einer Grundfläche von 111.500 m² das größte öffentliche Gebäude ist, das im 20. Jahrhundert im Vereinigten Königreich erbaut wurde. Insgesamt wurden in dem kantigen Gebäude aus rotem Backstein 180.000 Tonnen Beton, 150.000 Tonnen Stahl, 10.000.000 Ziegelsteine und 50.000 Schieferplatten verbaut. Rund 200 Jahre soll das Gebäude den Bücherschatz hüten. Mal gucken, ob dieser Plan aufgeht.

Auf den Bunhill Fields.
Auf den Bunhill Fields.

Von der British Library sind es etwa drei Kilometer bis zu den Bunhill Fields, die ich bereits in einem früheren Beitrag beschrieben habe. In unmittelbarer Nähe des zu einem Park umgewandelten Friedhofs besteht mittags entlang der Whitecross-Street die Möglichkeit, sich mit kulinarischen Genüssen zu versorgen. Aber auch Nachmittags ist sie wegen der vielen Streetart rechts und links des Weges durchaus sehenswert.

Wer mag, kann danach noch einen Abstecher ins Barbican Centre wagen. Ich war dort in den vergangenen Tagen recht häufig, da dort die Wikimania stattfand. Es ist  das größte Kultur- und Konferenzzentrum der Stadt und seit 1982 in Betrieb. Laut einer Umfrage soll es „das hässlichste Gebäude der Stadt sein, berichtet die  „Basler Zeitung“. Ich bin mir unschlüssig, ob ich das so unterschreiben würde. Sicher, das Gebäude ist im Stil des Brutalismus errichtet worden, der seinen Namen durchaus zu recht trägt. Tatsächlich sind die Wohnungen im Centre aber sehr beliebt und für Fotografen bietet es mit seinen krassen Gegensätzen aus Beton, Wasser und Grünarealen unzählige Motive. Ein weitaus älteres Bauwerk ist in unmittelbarer Nähe des Barbican an der Noble Street zu sehen: Dort befinden sich ein etwa 100 Meter langes Reststück der alten römischen Stadtmauer..

Nächster Anlaufpunkt ist für mich an diesem Tag St. Paul’s Cathedral, eine der größten Kathedralen der Welt und neben der Westminster Abbey sicherlich die bekannteste Kirche der britischen Hauptstadt. Der barocke Bau entstand im Jahre 1666 anstelle der im Großen Brand von London zerstörten alten St.-Pauls-Kathedrale.

Die Guildhall. Foto: David Iliff (Eigenes Werk) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) oder GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)], via Wikimedia Commons
Die Guildhall. Foto: David Iliff (Eigenes Werk) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) oder GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)], via Wikimedia Commons
Über die Straße Cheapside laufe ich anschließend in östlicher Richtung bis zur King Street, in die ich links einbiege, um zur Guildhall zu kommen. Jahrhundertelang diente der Gebäudekomplex, dessen älteste Teile aus dem Jahre 1411 stammen, als Rathaus der City of London und noch heute befinden sich hier Repräsentationsräume der Verwaltung. Besonders sehenswert ist die 199 gegründete Guildhall Art Gallery. Im Keller sind zudem die schön illuminierten Reste eines römischen Amphitheaters zu sehen. Der Eintritt ist frei.

Nur rund 200 Meter sind es von der Guildhall bis zur Bank of England, der Zentralbank des Vereinigten Königreichs. Sie ist eine ältesten noch bestehenden Banken der Welt, und der beruhigende Slogan „Sicher wie die Bank von England“ inzwischen sprichwörtlich, auch wenn die Zeit als Großbritannien noch Weltmacht war und so über nahezu unermessliche finanzielle Reserven verfügte, längst vorbei ist. Das Gebäude entstand im Jahre 1833 nach Plänen von Sir John Soane. Über den Säulen des Hauptportals mit seinen korinthischen Säulen folgt eine von Charles Wheeler gestaltete Skulpturengruppe, über welcher eine steinerne Britannia thront.

Gleich gegenüber breitet sich der Gebäudekomplex der Royal Exchange aus. Dort befand sich einst die erste Börse der Stadt, die Königin Elisabeth I.  am 23. Januar 1571 eröffnete. Das ursprüngliche Gebäude wurde mehrfach bei Bränden zerstört. Der heutige, klassizistische Bau geht auf Pläne von William Tite zurück. Königin Victoria eröffnete ihn am 28. Oktober 1844. Spekuliert wird dort heute nicht mehr. Jedenfalls nicht mit Aktien und Wertpapieren: Seit 2001 befindet sich ein Einkaufszentrum mit exklusiven Läden wie Hermès oder Tiffany in dem Gebäude.

Das Finanzzentrum hat sich inzwischen in die nahegelegene City of London mit ihren futuristischen Gebäuden verlagert. Mittendrin „30 St Mary Axe„, langläufig eher als „The Gherkin“ (englisch für Essiggurke) bekannt.  Die Stararchitekten Ken Shuttleworth und Lord Norman Foster planten das Gebäude, welches der Rückversicherers Swiss Re an der Stelle der durch einen IRA-Anschlag zerstörten Baltic Exchange erbauen ließ. Ein Tipp für diejenigen, die gerade zuviel Geld übrig haben: Seit Juli 2014 steht „The Gherkin“ für rund 820 Millionen Euro zum Verkauf.

Die Sternenkuppel des Leadenhall Market.
Die Sternenkuppel des Leadenhall Market.

Einer der schönsten Orte in der britischen Hauptstadt ist für mich unzweifelhaft Leadenhall Market. Er befindet sich etwa 300 Meter von „The Gherkin“ entfernt. Die Ursprünge der Anlage gehen auf das 14. Jahrhundert zurück. Zunächst war er ein Treffpunkt der Geflügel- und Käsehändler. 1463 bekam er das Waagerecht für Wolle, 1488 das Monopol für den Handel mit Leder. Beim Großen Brand von London wurden weite Teile ein Raub der Flammen. Anschließend behalf man sich lange mit einem Provisorium, ehe Sir Horace Jones 1881 den Auftrag bekam, das Areal umzubauen. Seither verbindet eine wunderschöne Konstruktion aus Gusseisen und Glas die Steingebäude. Alle Wege münden in einem zentralen Platz, über dem sich eine Sternenkuppel wölbt. Sehenswert sind auch die Eingänge, insbesondere derjenige an der Gracechurch Street. Irgendwie passt der Leadenhall Market, in dem Fisch, Fleisch, Käse und andere Lebensmittel, Wein und Blumen angeboten werden, gerade wegen seiner Nähe zur hypermodernen City of London so gar nicht in unsere Zeit. Irgendwie erinnert er mich an eine Filmkulisse. Und tatsächlich: Die Szenen in der Winkelgasse im ersten Film der Harry-Potter-Serie, Harry Potter und der Stein der Weisen, wurden 2001 im Leadenhall Market aufgenommen. Ein kleiner Tipp noch: Wer den Markt menschenleer fotografieren möchte, sollte dafür einen Tag am Wochenende einplanen, wenn die Bürotürme des Finanzdistrikts geschlossen sind.

Vom Großen Brand von London habe ich an dieser Stelle bereits öfter berichtet. Deshalb ist es nur folgerichtig, auch das Denkmal aufzusuchen, das an die große Katastrophe erinnert. In London heißt es schlicht Monument und steht unmittelbar neben der U-Bahnstation gleichen Namens. Es besteht aus einer 61 Meter hohen dorische Säule, die von einer Aussichtsplattform und einer vergoldeten Urne gekrönt wird. Das Bauwerk wurde von Robert Hooke und Christopher Wren entworfen und zwischen 1671 und 1677 im Zuge der Wiederaufbaumaßnahmen nach dem verheerenden Brand errichtet.

Ich halte kurz inne, ehe ich mich entlang der King William Street zum Themse-Ufer schlendere. Dort gibt es mit dem Grant’s Quay Wharf und dem Custom House Walk zwei wunderschöne Fußwege, die einen Blick auf die HMS Belfast freigeben. Das Kriegsschiff ist heute als Bestandteil des Imperial War Museums auf fest an seinem Standort verankert. Es spielte eine wichtige Rolle bei der Versenkung des deutschen Schlachtschiffs Scharnhorst und war an der Landung in der Normandie im Juni 1944 (Operation Overlord) beteiligt. Seit 1965 ist es ausgemustert und dient seit 1971 als Museum.

Die berühmteste Klappbrücke der Welt: Die Tower Bridge.
Die berühmteste Klappbrücke der Welt: Die Tower Bridge.

Ich folge dem Weg entlang des Ufers. Er führt mich direkt zu zwei weiteren Hauptsehenswürdigkeiten der Stadt, dem Tower of London und der Tower Bridge. Vor allen Dingen letztere lässt sich von dem Fußweg aus gut ablichten. Sie entstand 1894 nach Plänen von John Wolfe-Barry und gilt als Wahrzeichen der Stadt. Die im neugotischen Stil errichtete kombinierte Hänge- und Klappbrücke ist 244 Meter lang; die Höhe der beiden Brückentürme beträgt 65 Meter. Vor allem in der Abenddämmerung ist die Tower Bridge ein lohnendes Ziel für Fotografen.

Den Tower fotografiert man dagegen am besten vom zweiten Brückenturm der Tower Bridge oder vom gegenüberliegenden Ufer aus. Es sei denn, man sucht in dieser ohnehin schon mit Touristen überfüllten Gegend der Stadt noch mehr Trubel. Dann sei der Besuch des Towers empfohlen.

Die Festung war 2011 war er mit mehr als 2,5 Millionen Besuchern die meistbesuchte kostenpflichtige Attraktion im Vereinigten Königreich. Und es gibt in der Tat viel zu sehen in dem Bauwerk, dessen Ursprünge auf das 11. Jahrhundert zurückgehen. In seiner langen Geschichte diente es den englischen und britischen Königen unter anderem als Residenz, Waffenkammer, Werkstatt, Lager, Zoo, Garnison, Museum, Münzprägestätte, Gefängnis, Archiv und Hinrichtungsstätte. Heute befinden sich im Tower Ausstellungen über das Gebäude und seine Geschichte selbst, Teile der Sammlung der Royal Armouries, die britischen Kronjuwelen, das Museum des Royal Regiment of Fusiliers (deren Hauptquartier sich in dem Bauwerk befindet), Wohnräume für die Yeoman Warders sowie Verwaltungs- und Büroräume.

„The Shard“ überragt die Londoner Skyline um ein vielfaches.

Von der Tower Bridge ist es nicht weit bis zu The Shard (von englisch shard ‚Scherbe‘, ‚Splitter‘). Unter allen modernen Bauten ist  dieser 310 Meter hohe Wolkenkratzer der wohl aufregendste. Der Architekt Renzo Piano entwarf das Hochhaus. Es erhebt sich wie ein gigantischer Keil am südlichen Ufer der Themse. Seine Spitze wirkt irgendwie unvollendet und soll an die namensgebenden Scherben erinnern. Von oben gibt es bestimmt einen atemberaubenden Blick auf die ganze Stadt. Ich werde heute allerdings nicht hochfahren. Zum einen habe ich noch einiges vor und um anderen schrecken mich die extrem hohen Eintrittspreise. Ich habe das Bauwerk, das aus der ganzen Stadt zu sehen ist, bereits von der Blackfriars Bridge abgelichtet. Aber auch von Nahem betrachtet bieten sich viele spannende Motive.

Southwark Cathedral. Foto: Dmitry Tonkonog (Eigenes Werk) [<a href=

Mir ist irgendwie wieder nach alten Gebäuden. Gut, dass Southwark Cathedral nicht weit ist. Das im Stil der Gotik gehaltene anglikanische Kirchengebäude stammt zum Großteil aus der Zeit von 1220 bis 1420, ist aber in seinem Kern wesentlich älter. Denn bereits im Domesday Book aus dem Jahr 1086 findet sich ein Hinweis auf die Kirche. Möglicherweise bestand dort sogar bereits seit dem 7. Jahrhundert ein Kloster. Sehenswert ist auch das Innere des Kirchenschiffs mit seinen gotischen Strebepfeilern. In der Kirche befinden sich zudem die Gräber bekannter Schriftsteller, so von John Gower und John Fletcher.

In unmittelbarer Nähe hat die Golden Hinde II, ein Nachbau jener Galeone, mit der Sir Francis Drake von 1577 – 1580 die zweite Weltumsegelung nach der von Ferdinand Magellan gelang. Das Original sollte auf Befehl der Königin Elisabeth I. eigentlich „zur immer währenden Erinnerung in Depford“ aufbewahrt werden. Dort vernachlässigte man es allerdings derart, dass es mit der Zeit verfiel. Die letzten Überreste wurden 1662 beseitigt. Die Golden Hinde II ist ein Werk der J. Hinks & Son Werft in Appledore, Devon. Dort lief sie 1973 vom Stapel. Seither etwa 140.000 Meilen zurückgelegt und damit das Original bei weitem übertroffen.

Shakespeare's Globe: von Aiwok (Eigenes Werk) [<a href=

Auch Shakespear’s Globe ist ein Nachbau, der vor allem durch Aufführungen von William Shakespeares Werken einen bedeutenden Platz in der Theaterlandschaft der Stadt einnimmt. Das Original erbaute die Schauspieltruppe The Lord Chamberlain’s Men (später umbenannt in The King’s Men), zu der auch William Shakespeare gehörte, im Jahre 1599. Schon bald war es das erfolgreichste Theater weit und breit. Doch dann ließ die puritanische Regierung im Jahre 1642 alle Vergnügungsstätten schließen. Das Globe stand leer. Zwei Jahre später wurde es abgerissen und geriet in Vergessenheit. Das Gelände wurde anschließend überbaut. Heute befinden sich dort an der Southwark Bridge Road  die Anchor Terrace genannten Wohnhäuser aus dem 18. Jahrhundert, die unter Denkmalschutz stehen und deren Abriss daher verboten ist. Der Nachbau steht somit nicht am Originalplatz, sondern etwa 230 Meter entfernt.

Wenige Meter weiter führt mich mein Weg zum Tate Modern. Die „Tate Gallery of Modern Art„, wie sie offiziell heißt, ist das weltweit größte Museum für moderne Kunst. Es hat seinen Sitz in einem umgebauten Kraftwerk, der früheren Bankside Power Station. Und schon alleine das Gebäude lohnt den Besuch. In der Dauerausstellung werden Werke aus den Stilrichtungen Impressionismus, Kubismus, Fauvismus, Futurismus, Expressionismus, Dadaismus und Surrealismus sowie Pop Art, Minimal Art und Konzeptkunst gezeigt. Darunter befinden sich Bilder von Vincent van Gogh, Paul Cézanne, Paul Gauguin und Henri de Toulouse-Lautrec bis hin zu Pablo Picasso, Georges Braque, Henri Matisse, Piet Mondrian, Marcel Duchamp, Salvador Dalí und Andy Warhol. Wie so oft ist auch hier der Eintritt frei (um Spende wird gebeten). Ebenso zum Nulltarif erhältlich: Der Blick vom Panorama-Café über die Skyline der City. Kein Wunder, das jährlich fast vier Millionen Besucher den Weg in das Museum finden.

Die Millenium Bridge.
Die Millenium Bridge. Bild: Jan Kameníček (Eigenes Werk) [CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons
Letzte Station auf meinem Spaziergang ist die am 10. Juni 2000 eröffnete Millenium Bridge. Sie ist ein weiterer Hotspot für Harry-Potter-Fans. In dem Film  „Harry Potter und der Halbblutprinz“ wird das Bauwerk zerstört. Im wirklichen Leben verbindet die 325 Meter lange Hängebrücke  das Tate jedoch weiterhin mit mit der St Paul’s Cathedral. Das wegen seiner starken Schwingungen auch „wobbly bridge“ genannte Bauwerk geht auf Entwürfe der Architekten Arup, Norman Foster und Anthony Caro zurück, die sich damit 1996 in einem von der Stadtbezirksverwaltung von Southwark durchgeführten Wettbewerb durchsetzen konnten. Das  Es ist so konstruiert, dass sich gleichzeitig etwa 5.000 Personen auf dem Bauwerk aufhalten können (was wohl gelegentlich auch vorkommt). Ungewöhnlich ist die Position der sich die Tragseile: Sie befinden sich  neben dem Fußweg, wodurch die Hängebrücke ungewöhnlich flach erscheint. Der Grund für diese ungewöhnliche Konstruktion sind Höhenbeschränkungen für Bauwerke in diesem Bereich. Zudem wollten die Architekten die Aussicht verbessern. Und dieser Plan ist voll aufgegangen. Ein letztes Mal mache ich Rast auf der Brücke, atme tief durch und genieße den Blick auf die Stadt, ehe ich dann bei St Pauls in die U-Bahn einsteige, die mich zurück nach Shoreditch bringt. Ein Stadtteil, der zu meinen liebsten in London zählt. Doch das ist eine andere Geschichte, die ich beizeiten hier veröffentlichen werde.

An diesem Abend sind meine Füße sind abgelaufen, meine Schuhe auch und ich bin total übermüdet. Aber irgendwie auch sehr glücklich. Der Spaziergang hat mir sehr viel Freude gemacht und Geld habe ich an diesem Tage nicht viel ausgegeben. Insgesamt sind es wohl um die 15 Euro gewesen, die für die An- und Abreise mit der U-Bahn und etwas Verpflegung fällig waren. Das Paar neue Schuhe, die mir nach diesem Marsch wohl kaufen muss, sind da freilich nicht mit eingerechnet.

Hier noch die versprochene Karte:

Und eine Galerie mit Bildern der besuchten Orte.

Teile diesen Beitrag
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Consent Management Platform von Real Cookie Banner