Der Versuch der Einflussnahme von gesellschaftlichen Akteuren auf die Berichterstattung gehört zum Tagesgeschäft eines Journalisten. Dagegen müssen wir uns mit allen Mitteln wehren. Leider geraten diese Versuche der Manipulation viel zu selten ans Licht der Öffentlichkeit. Aktuell sorgt ein Vorfall in Aurich für reichlich Diskussionsstoff. Im Zentrum der Affäre steht Harm-Uwe Weber (SPD).
Der Landrat für den Kreis Aurich soll nach Informationen des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) versucht haben, Einfluss auf die Berichterstattung der Ostfriesischen Nachrichten (ON) zu nehmen. An die Öffentlichkeit gelangte dieser Vorstoß wohl nur durch eine Datenpanne. In einer Mitteilung an seinen Parteigenossen, den Vorsitzenden der SPD-Kreistagsfraktion, Jochen Beekhuis, soll Weber nach Angaben des DJV geschrieben haben, dass er bei Ralf Klöker, Mitglied der Geschäftsführung und verantwortlicher Chefredakteur bei den ON, „nachgelegt“ und gefordert habe, einen Journalisten „aus dem operativen Geschäft“ abzuziehen.
Dumm nur: Durch einen Fehler im kreisinternen Daten-Netz erhielten offensichtlich gleich mehrere Kreistagsmitglieder diese Nachricht unbeabsichtigt auf ihrem I-Pad. So auch Angelika Albers, Vorsitzende der Kreistagsfraktion der Grünen, die das Datenleck am Freitagvormittag Publik gemacht hat. Demnach konnten in der vergangenen Woche etwa zehn Kreistagsabgeordnete den SMS-Verkehr zwischen dem SPD-Fraktionschef und dem Landrat auf ihren „iPad“-Tabletcomputern mitlesen. Grund für diese Panne war laut Medienberichten, dass die betroffenen Geräte für diese Anwendung dasselbe Benutzerkonto hatten. Später soll diese Mitteilung per „Fernwartung“ durch die IT-Abteilung der Kreisverwaltung gelöscht worden sein. Gelöscht wurden dabei offenbar auch private Dokumente der I-Pad-Nutzer. Einige Geräte sind nach Informationen des NDR sogar auf den Auslieferungszustand zurückgesetzt worden.
Frank Rieger, Vorsitzender des Landesverbandes Niedersachsen im Deutschen Journalistenverband (DJV) hat für diese „massive Einflussnahme auf die Freiheit der Presse“ überhaupt kein Verständnis. „Es kann nicht angehen, dass gerade im Wahlkampf ein Landrat in dieser Form Druck auf die Berichterstattung einer Zeitung nimmt“, erklärte Rieger. Zeitungen, die diese Einflussnahme zuließen, „würden ein großes Stück ihrer Glaubwürdigkeit verlieren“. Zu den Aufgaben eines Chefredakteurs gehöre es, diesen Druck von außen auszuhalten und sich schützend vor seine Redaktion zu stellen, erklärte Rieger.
Landrat Weber und Chefredakteur Klöker waren am Freitag nach Angaben des DJV für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Beide seien derzeit im Urlaub, heißt es weiter. Auf meine Anfrage auf der Facebook-Seite der ON antwortet die Zeitung: „Die DJV-Darstellung ist falsch. (…) Wir schrieben dazu unter anderem: Die schwere SMS-Datenpanne beim Landkreis Aurich zieht weite Kreise, auch die ON sind betroffen: In Mitteilungen an SPD-Kreistagsfraktionschef Jochen Beekhuis soll Landrat Harm-Uwe Weber (SPD) behauptet haben, Einfluss auf die ON-Berichterstattung genommen zu haben. Das schreibt zumindest der Deutsche Journalistenverband (DJV) in einer gestern veröffentlichten Mitteilung. Angeblich habe Weber demnach veranlasst, einen ON-Redakteur ‚aus dem operativen Geschäft‘ abzuziehen. Diese vom DJV verbreitete Darstellung ist falsch. Richtig ist dagegen: Der Versuch der Einflussnahme von Landrat Weber auf die ON war erfolglos. Der betreffende Redakteur wurde nicht ‚abgezogen‘. Er berichtet weiter federführend über die Kreispolitik und kommentiert das dortige Geschehen.“ Inzwischen hat die Zeitung auch auf den Seiten des DJV eine Gegendarstellung veröffentlicht.