Der Countdown läuft: In 40 Tagen beginnt die Wikimania und in genau einem Monat werde ich mich auf den Weg nach Hong Kong begeben, um daran teilzunehmen. Höchste Zeit also, sich auf die Reise vorzubereiten.
Wiki-was?
Die Wikimania ist das jährliche Treffen von engagierten Helfern aus den Wikimedia-Projekten. Erstmals fand sie 2005 mit 380 Teilnehmern in Frankfurt statt. Danach wurde sie 2006 in Boston (USA), 2007 in Taipei (Taiwan), 2008 in Alexandria (Ägypten), 2009 in Buenos Aires (Argentinien), 2010 in Danzig (Polen), 2011 in Haifa (Israel) sowie 2012 mit der Rekordbeteiligung von 1.400 Wikipedianern in Washington, D.C. (USA) abgehalten.Vom 7 bis 11. August ist Hong Kong Gastgeber der Zusammenkunft, zu der Autoren, Fotografen, Projektleiter, Gäste verwandter Organisationen, Ehrenamtliche und Beschäftigte von Organisationen aus dem gesamten Wikimedia-Universum erwartet werden. Ich bin einer von 26 Ehrenamtlichen, die Wikimedia Deutschland mit einem Reisestipendium für die Wikimania unterstützt. Wikimedia Österreich hat zehn weitere Stipendien ausgelobt und auch der schweizer Verein ermöglicht Wikipedianern die Teilnahme. Damit ist die deutschsprachige Gemeinschaft in Asien ganz gut vertreten.
Das Themenspektrum ist traditionell groß – so groß, dass es schwer ist, einen Überblick zu gewinnen. Insgesamt wurden 354 Beiträge eingereicht. Sie reichen von den Herausforderungen für die Wikimedia-Bewegung in Afrika, über die Beantwortung der Frage, ob Wikipedianer Zombies oder Menschen sind, bis hin zum Versuch, das Dickicht an Regelungen und Geboten in der scheinbar freien Internet-Enzyklopädie zu erklären. Ich werde versuchen, mich dabei auf drei Bereiche zu konzentrieren, die mich besonders interessieren: Die Gewinnung neuer Autoren, die Zusammenarbeit mit Galerien, Bibliotheken, Archiven, Museen sowie die Fotografie.
Neue Autoren gesucht
Spannend wird die Frage sein, wie wir in Zukunft neue Autoren gewinnen wollen. Denn Wikipedia hat Nachwuchssorgen. Die Zahl der Neuanmeldungen stagniert. Vor allem Frauen werden dringend gesucht: Einer Umfrage aus dem Jahr 2012 zufolge stellen Frauen gerade einmal acht Prozent der Autoren. Ein Anteil, der sich seit 2010, als das Problem erstmals untersucht wurde, nicht verbessert hat. Die größte Enzyklopädie der Welt wird damit hauptsächlich von Männern geschrieben. Und das trotz verschiedener Ansätze, dies zu ändern. Was also läuft in der Anwerbung neuer Autorinnen und Autoren schief? Eine Frage, zu der ich mir in Hong Kong neue Lösungsansätze erhoffe.
Ich denke, dass die Ursachen, warum so viele wenig Lust verspüren, an dem Projekt mitzuwirken, vielfältig sind. Sie beginnen mit der Diskussionskultur. Um die Beantwortung der Frage, was Wikipedianer und Zombies gemeinsam haben, vorwegzunehmen: Beide meckern dauerhaft. Kritik wird bei Wikipedia oft übertrieben, hart und persönlich geäußert. Auch der Erfolg der Wikipedia ist ein Problem: Viele Artikel haben inzwischen ein Niveau erreicht, dass es manchmal erscheint, als ob schon alles gesagt sei. Hinzu kommen unzählige Konventionen und Regeln, in denen festglegt ist, wie Artikel auszusehen haben und wann ein Thema für die Enzyklopädie relevant ist. Da geben selbst etablierte Autoren manchmal verwirrt bis erstaunt auf. In der Folge werden immer mehr Artikel von Einzelautoren verfasst. Damit verliert die Enzyklopädie aber eine ihrer größten Stärken: Die des gemeinschaftlichen Schreibens.
Auch die sehr komplizierte Formatierung der Artikel mittels der Auszeichnungssprache Wikitext erschwert Neulingen den Einstieg. Die Software, mit der Wikipedia betrieben wird, stammt aus dem Jahr 2002. Und entsprechend sieht sie auch aus. Doch damit soll bald Schluss sein. Noch in diesem Monat soll der Visual Editor freigeschaltet werden. Ein Werkzeug, mit dem die Internet-Enzyklopädie in wesentlich leichter bearbeitet werden kann. Ob er nun das Allheilmittel ist, wage ich zu bezweifeln. Ein wichtiger Schritt hin zu mehr Benutzerfreundlichkeit ist er aber schon.
Wichtig erscheint mir jedoch, regionale Anlaufpunkte für Interessierte zu schaffen, anstatt darauf zu hoffen, dass sie einem irgendwo am Bildschirm über den Weg laufen. Wie so ein Wikipedia-Büro aussehen könnte, habe ich auf meiner Wikipedia-Benutzerseite skizziert. Einen anderen Ansatz, der nicht minder bemerkenswert ist, liefern die Wikiepdia:Musketiere. Sie sind in ihrem selbstverständnis “edel, hilfreich und gut” und stehen damit den Zombies gegenüber. Mal gucken, was aus dieser Idee wird.Möglicherweise schreiben aber in Zukunft auch Maschinen die Geschichte fort. Immerhin haben sie dafür gesorgt, dass die deutschsprachige Wikipedia ihren an der Anzahl der Artikel gemessenen zweiten Platz nach der englischen Ausgabe inzwischen an die niederländische Version abgeben musste. Eine Entwicklung, die viele Autoren kritisch betrachten und die wohl auch bei der Wikimania zur Sprache kommen wird.
Neue Kooperationen gesucht
Daneben werde ich mich auch über neue Möglichkeiten in der Zusammenarbeit mit Galerien, Bibliotheken, Archiven, Museen (Wikipedia-intern auch GLAM (=Galleries, Libraries, Archives & Museums) genannt) und weiteren Institutionen informieren. In diesem Bereich ist in den vergangenen Jahren viel passiert. Ich denke, dass die Bereitschaft etwa des British Museums, des Deutschen Archäologischen Instituts oder des Bundesarchivs, mit Wikipedia zu kooperieren, neue Möglichkeiten in der Kommunikation mit kleineren Einrichtungen vor Ort eröffnet.
Neue Fotos gesucht
Und auch das Thema Fotografie wird mich in Hong Kong begleiten. Ich bin gespannt auf fotografische Schnitzeljagden (auch mit billigen Kameras) sowie auf einen Streifzug mit anderen Wikipedia-Fotografen durch die asiatische Metropole. Insgesamt werde ich zehn Tage dort sein. Zeit genug, so hoffe ich, um auch abseits des straffen Programms der Wikimania mit der Kamera bewaffnet durch die Stadt zu ziehen. Schließlich wartet neben unserem Medienarchiv Commons auch mein Fotoblog auf neue Inhalte.
Weitere Informationen zum Visual Editor: