Nach zwei Tagen in diesem Megamolloch habe ich beschlossen, der Stadt heute einmal den Rücken zuzukehren. Irgendwie habe ich genug von dem ganzen Gewusel der vielen Menschen hier. Ich sehne mich nach etwas Ruhe.
Manchmal hat der Jetlag auch sein Gutes: Wieder einmal bin ich früh wach. Sehr früh sogar. An Schlaf ist einmal mehr nicht mehr zu denken. Und so beginnt meine Fahrt ins Grüne schon kurz nach Tagesanbruch. Das hat eine Menge Vorteile. Der Größte: Es ist noch nicht so unerträglich heiß. Und auch die U-Bahn ist noch nicht so voll.
Mein Ziel sind die Hongkong Wetlands. Ähnlich wie bei uns das Wattenmeer, dienen sie asiatischen Zugvögeln auf ihren langen Reisen als Zwischenstation. Und genau wie ihr Pendent an der Nordseeküste stehen auch die Wetlands unter strengem Naturschutz. Allerdings sind sie auf ausgewiesenen Wegen zugänglich. Besucher haben dort die Möglichkeit, sich über das Ökosystem des Feuchtgebietes in den nordwestlichen New Territories zu informieren. Je nach Jahreszeit können von diversen Beobachtungsstationen zahllose Vögel beobachtet werden.
Heute bin ich einer der ersten Gäste. Schon das futuristisch anmutende und mit Gras bewachsenen Besucherzentrum ist beeindruckend. Im inneren des Gebäudes gibt es Informationen zu Mangroven- und Moorlandschaften, die Artenvielfalt in Feuchtgebieten sowie die durchziehenden Vögel. Danach geht es auf befestigten Holzstegen weiter durch die sumpfige Landschaft. Ich freue mich auf eine gemütliche Wanderung abseits des Großstadttrubels. Zunächst werde ich nicht enttäuscht. Eine frische Brise bewegt sanft das Gras, die Vögel zwitschern und Schmetterlinge fliegen an mir vorbei. Der Metropole Hongkong scheint weit weg zu sein. Doch der Eindruck täuscht. Eine Drehung um neunzig Grad reicht und ich stehe vor einer ziemlich beindruckenden Wolkenkratzerkulisse. Ein höchst surrealer Gegensatz von Stadt und Natur, der sich wohl nur in Asien zu einem harmonischen Ganzen fügt.