Hongkong um kurz nach halb fünf in der Frühe. Ich sitze in meinem fünf Quadratmeter großen Zimmer in Kowloon und der Jetlag plagt mich. Zuhause in Bremen ist es jetzt 22.34 Uhr. Zudem habe ich die Wahl zwischen lauter Klimaanlage oder extrem schwülwarmer Luft. An Schlaf ist so nicht zu denken. Aber das gibt mir die Gelegenheit, erste Eindrücke niederzuschreiben.
Hongkong gehört zu den am den am dichtesten besiedelten Gebieten der Welt. Man mag es kaum glauben: Trotz der hohen Bevölkerungsdichte ist Hongkong eine der grünsten Metropolregionen Asiens. Knapp 70 Prozent seiner Gesamtfläche sind sind so bergig und steil, dass sie nicht bebaut werden können. Auf dem restlichen Gebiet drängen sich mehr als sieben Millionen Menschen. Zudem erstreckt sich das Gebiet auf mehr als 260 Inseln. Eine davon ist Lantau, auf der sich auch der Flughafen befindet. Dort begann das Abenteuer Hongkong.
Schon die Einreise ist ein Spaß. Nach einem zehnstündigen Flug von Amsterdam dreht der Flieger noch einige Extrarunden über dem südchinesischen Meer, da der Flughafen wegen einer Taifun-Warnung nur sehr eingeschränkt Landeerlaubnisse erteilt. Der Blick aus der Luft entschädigt aber für alles. Trotz (oder wegen?) des schlechten Wetters breitet sich unter uns aus eine Bilderbuchlandschaft. Unzählige sanfte und grünbewachsene Hügel erheben sich aus dem Meer. Dichte Wolken bleiben daran hängen. Gesäumt werden die Eilande von einsamen Buchten und unberührten Stränden. So stellt man sich das Paradies vor.
Die Landung holt mich dann im wahrsten Sinne des Wortes wieder auf den Boden zurück. Der Kontrast könnte kaum größer sein: Eben noch schwebte ich über einem Naturparadies und nun befinde ich mich plötzlich inmitten tausender Menschen auf einem der größten Flughäfen der Welt.
Dort muss ich mir zunächst den Weg durch die Passkontrollen bahnen. Eigentlich kein Problem, denke ich mir, denn Hongkong hat ziemlich liberale Einreisebestimmungen. EU-Bürger und Schweizer können die Sonderverwaltungszone bis zu drei Monate (90 Tage) visumfrei besuchen. Ein bisschen Bürokratie gibt es dann aber doch noch: Vor der Einreise gilt es, einen Zettel auszufüllen. Das hat mir und vielen anderen Mitreisenden aber niemand mitgeteilt, so dass wir davon erst vom Zollbeamten erfahren. Alle Proteste nützen nichts. Ohne Zettel keine Einreise. Und das bedeutet für mich und einige Leidensgenossen: den Schalter verlassen, Zettel ausfüllen um erneut hinten anstellen. Glücklicherweise sind die Abläufe gut organisiert, so dass sich die Wartezeit insgesamt in Grenzen hält. Auch die anschließenden Gepäckausgabe erfolgt zügig.
Danach gibt es viele Möglichkeiten, um in die Stadt zu gelangen. Für die allermeisten öffentlichen Verkehrsmittel ist der Kauf einer Octopus-Karte sinvoll. Egal ob man nun mit dem Bus, der U-Bahn Mass Transit Railway (MTR), dem Airport Express, der Tram oder einem Schiff fährt, überall kann man mit ihr Tickets bezahlen. Darüber hinaus wird sie auch in vielen Restaurants und Geschäften als Zahlungsmittel enerkannt. Erhältlich ist sie für 150 HKD (davon 00 HKD als Startguthaben) an allen MTR-Stationen. Lediglich 50 HKD sind als Pfand fällig. Sie werden aber rückerstattet, wenn die Karte zurückgegeben wird. Der Kauf ist denkbar einfach: Da die Octopus-Karte anonym ist, muss sich ihr Benutzer beim Kauf nirgends registrieren oder seinen Ausweis vorlegen. Bei Verlust der Karte ist nur das darauf gespeicherte Guthaben verloren. Die Funktionsweise ist einfach und selbsterklärend. Will man beispielsweise mit dem Bus fahren, muss man die Karte nur an ein Lesegerät halten, dass den Fahrpreis abbucht.
Doch zurück zur Fahrt in die Stadt.Die schnellste Verbindung vom Flughafen in das Zentrum bietet die MTR. Für 100 HKD ist man in etwa 20 Minuten in Kowloon (Hongkong-Station). Ich entscheide mich aber für den Bus. Er ist mit 33 HKD weitaus günstiger, braucht aber erheblich mehr Zeit für die Strecke. Mir ist das egal, da ich mir so einen ersten Überblick über die Stadt verschaffen kann.
Der ist chaotisch. Hongkong ist eine aberwitzige Mischung aus gesichtslose Hochhauswüsten und wunderschöner Landschaft. Sind es zunächst nur wenige Türme, die in den Himmel ragen, werden es in Richtung Kowloon immer mehr. Plötzlich befinde ich mich in einem Wald aus Glas und Beton. Dazwischen wirbeln tausende Menschen herum. Es ist der Kowlooner Stadtteil Tsim Sha Tsui, indem sich auch meine Herberge für die nächsten vier Tage befindet.
Das Cosmic Guest House liegt inmitten eines Labyrinthes aus Wohnungen, Geschäften, Wechselstuben und anderen Pensionen im Mirador Mansion, einem mehr als fünfzigjährigen Gebäudekomplex. Ohne Beschreibung, die ich mir vorsichtshalber ausgedruckt hatte, hätte ich meine Unterkunft darin wohl niemals gefunden. Ich hatte es bereits vor Abreise gebucht und war gespannt, wie es sich darin leben lässt.
Mit Übernachtungskosten von 180 HKD sicherlich eine der günstigsten Unterkünfte, in denen ich jemals genächtigt habe. Trotz der Enge lässt es sich sehr gut aushalten. Es gibt eine Klimaanlage, ein mehr oder weniger gut funktionierendes WLAN und ein Telefon. Das Bett ist mit vier Quadratmetern angenehm groß, bedeckt aber auch nahezu das gesamte Zimmer. Gewöhnungsbedürftig, aber ok: In der Nasszelle sind Dusche und WC zu einer untrennbaren Einheit geworden. Fließend gehen sie auf einem halben Quadratmeter Fläche ineinander über. Glücklich kann ich mich wohl darüber schätzen, dass mein Zimmer über eine Art Fenster verfügt. Das ist nicht selbstverständlich. Insgesamt ist alles recht sauber und komfortabel. Wirklich hässlich sind nur die Fliesen, mit denen das gesamte Zimmer eingekachelt ist. Für einen Kurzaufenthalt von drei bis vier Tagen durchaus empfehlenswert.
Info: Die ehemalige britische Kronkolonie Hongkong gehört seit 1997 wieder zu China, bildet aber eine eigene Sonderverwaltungszone mit eigenen politischen und wirtschaftlichen System sowie einer eigenen Währung, dem Hongkong-Dollar (HKD). Mehr als 1.100 Quadratkilometer Landfläche umfasst das Sonderverwaltungsgebiet, das ich in diesem Jahr erstmals bereise. Ich werde elf Tage in Hongkong bleiben, um hier an der Wikimania teilzunehmen. Doch dazu später mehr.