Der Weg in die Zukunft des transpazifischen Handels führt über den Müll. Es ist ein schmaler Weg, den wir an diesem Tag beschreiten. Rechts spült das Meer Dinge an, die ganz woanders achtlos weggeworfen wurden: Flaschen, Plastiktüten und alle möglichen Abfälle aus Kunststoff. Links schirmt ein Zaun das gerade erst eröffnete Maritime Institut Fidschis vor ungebetenen Gästen ab. Doch nicht etwa dort soll das Transportwesen im Pazifik revolutioniert werden sondern in einem Dorf am Ende des Weges. Davon sind jedenfalls Alison Newell und ihr Mann Peter Nuttall überzeugt.
Wir lernen die beiden mehr oder weniger zufällig auf dem Gelände der University of South Pacific (USP) kennen. Es sind zwei faszinierende Persönlichkeiten. Seit mehr als 30 Jahren leben sie mit ihrer Familie auf einem Segelboot und pendeln zwischen Neuseeland und Fidschi. Immer auf der Suche nach Menschen, die das traditionelle Bootshandwerk des Südpazifiks beherrschen. Gemeinsam mit ihnen wollen die beiden energieeffiziente Frachtschiffe für die Zukunft entwerfen. In ihrem Büro wird deutlich, wie die aussehen sollen. Überall stehen Bootsmodelle herum, die ziemlich archaisch aussehen.
Und doch sehen Peter und Alison in ihnen die Lösung für die Transportprobleme im Pazifik. „Die Ausgaben für Treibstoff sind heute für ungefähr 80 Prozent der Frachtkosten verantwortlich. Die Reeder versuchen, das Problem zu lösen, indem sie immer größerer Boote bauen. Das bringt ganz neue Probleme mit sich. Für diese Schiffe müssen auch immer größere Häfen gebaut werden. Unsere Lösung verfolgt jedoch einen anderen Ansatz. Wir setzen auf kleinere Boote, die keinerlei Emissionen ausstoßen, da sie gesegelt werden“, erklärt mir Alison. Genau so habe der Warenaustausch im Südpazifik über Jahrtausende funktioniert. „Warum sollte es in Zukunft neicht genauso funktionieren. Statt eines Riesenbootes würde die Ware auf mehrere kleine Boote verteilt. So könnten gleichzeitig viele Arbeitsplätze entstehen“, meint Alison.
Es gibt jedoch ein Problem: das Wissen um den traditionellen Bootsbau ist weitgehend verloren gegangen. Wie groß der Verlust an diesem Wissen ist, hat auch Peter überrascht. „Als ich das erste Mal nach Fidschi kam, war ich voller Enthusiasmus, hier zu finden, wonach ich suchte“, erklärt er. Doch schnell musste er feststellen, dass dies gar nicht so einfach war. „Es gab schlichtweg niemanden, der noch die traditionellen Fidschi-Kanus bauen konnte“, erinnert er sich. „Ich habe schließlich die Bibliothek aufgesucht und gehofft, dort wenigstens Abbildungen der alten Boote zu finden. Aber auch dort Fehalnzeige!“ Peter war daraufhin ziemlich frustriert. Bis zu jenem schicksalträchtigen Tag.
„Ich stand am Ufer und blickte wie so oft aufs Meer hinaus. Plötzlich erspähte ich am Horizont die typischen Segel der Fidschi-Kanus. Ich traute meinen Augen kaum“, erinnert sich Peter. Sofort machte er daraufhin mit seinem Sohn das eigene Boot startklar und segelte den Booten entgegen. „Tatsächlich waren es genau jene Kanus, nach denen ich so lange gesucht hatte. Und als sie mir dann erzählten, dass sie die Boote selbst gebaut hätten, konnte ich mein Glück kaum fassen.“ Die Fischer luden Peter und seine Familie in ihr Dorf ein.
Dort erklärten sie ihnen, wie die Boote entstehen. Pläne gibt es nicht. „Stattdessen wird das Wissen von Generation zu Generation weitergegeben“, weiß Peter. Und genau darin liegt das Problem. „Die Britten haben den Insulanern verboten, eigene Kanus zu besitzen, da sie den Handel kontrollieren wollten“, erklärt mir Alison. So ging die Fähigkeit nach und nach verloren. „Die Menschen dieses Dorfes sind vermutlich die einzigen, die den Bootsbau noch beherrschen“, so Alison weiter.
Gemeinsam mit ihnen wollen sie nun in einem Pilotprojekt ein neues Wasserfahrzeug entwickeln, das sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch nachhaltig ist. Es soll den traditionellen Kanus ähneln, aber größer und mit zwei Rümpfen ausgestattet sein. „Es ist zudem unser Ziel, die Boote so zu gestalten, dass sie von den Insulanern einfach nachgebaut werden können“, erklärt Peter. Deshalb nutzen wir vor allem lokale Rohstoffe. Das macht die Boote im Vergleich zu den momentan gebräuchlichen aus Kunststoff erheblich billiger. Auch im Unterhalt sind die Camakaus, wie die Kanus genannt werden, günstiger. Und da sie keinen Motor haben, entfallen auch die Kosten für den Sprit. Umweltschädliche Emissionen fallen so auch nicht an. Finanziert werden sollen die Baukosten vor allem über Mikrokredite.
So könnten die Boote in Zukunft das nachhaltige und wirtschaftlich tragfähige Rückgrat des interinsularen Warenverkehrs bilden. Fidschi besteht aus 333 Inseln, die über ein Gebiet von 518.000 Quadratkilometern verteilt liegen. Einige liegen so abgelegen, dass sie nur ein oder zweimal im Jahr von Schiffen angesteuert werden. Gerade diese Inseln könnten so häufiger und vor allem günstiger mit Dingen des altäglichen Bedarfs versorgt werden, hoffen die beiden. „Zudem könnten die dortigen Bewohner ihre Waren so viel günstiger zu den Märkten transportieren, was ihren Profit erheblich steigern würde“, so Alison.
Für die Fischer könnte sich das Projekt gleichermaßen lohnen. „Sie bezahlen derzeit viel Geld für Treibstoff. Wir denken, dass dies unnötig ist und sehen die Zukunft in der Windkraft, also im Segeln. Nicht nur für die Fischer, nicht nur für den Pazifik sondern für den gesamten weltweiten Warenverkehr. Wir müssen nur aus der Vergangenheit lernen“, so Peter und Alison abschließend.
Cooler Artikel, Matthias!!!
Nur kurz: Peter Nuttal, der Name kommt mir bekannt vor. Frag ihn bitte mal, ob er beim Waka Moana Symposium am National Maritime Museum AKL (1996?) dabei war.
Die gleiche Idee hatten die Pacific Voyagers / OKEANOS, nachzulesen auf deren Website, wird auch schon erfolgreich umgesetzt, allerdings aus modernen Materialien, u.a. aus Gründen der Nachhaltigkeit.
Moin Ilka. Danke für die netten Worte. Ich werde Peter Nuttal fragen, wenn ich ihn demnächst mal wiedersehe.